Der Wecker muss gar nicht mehr klingeln denn ich habe sowieso kaum geschlafen. Müde kriechen wir aus dem Lager und schleichen uns 1 Stunde vor allen anderen zu einem hergerichteten Thermos-Frühstück. Bedauerlicherweise ohne Kaffee, dafür mit viel Marmelade. Am Vorabend waren wir uns einig nicht meine safe-safe Variante zu gehen, sondern mit dem prognostizierten Regen im Rücken schnell durch die Wand zu klettern.
Wobei schnell relativ ist. 6 Stunden Kletterzeit haben wir durchaus geplant.
Mit Hilfe des Wandbildes finden wir relativ leicht den Einstieg und steigen gegen Punkt 7 Uhr früh in die Wand ein. Die ersten 4 Seillängen steige ich vor und finde großteils festen Fels, schöne Kletterstellen von Anfang an und auch im 3. Grad muss ich hier schauen wie ich steigen und greifen muss. Noch mache ich mir dazu keine Gedanken, aber in einer Nordwand gibt es immer Schatten(seiten) 😉 .










Das Gehgelände in der 5. Seillänge und die Seillängen 6 und 7 klettert mein Vorstiegskollege Stefan souverän und wir liegen sehr gut in der Zeit. Insgeheim spekuliere ich hier mit einer Gipfelzeit von 12 Uhr, schließlich sind für 14 Uhr bereits erste Regenschauer prognostiziert.
In der 8. Seillänge (5-, A0 bzw. 6-) will ich auf jeden Fall ohne den Griff in das Seilstück durchklettern. Mit dem Seilstück vor meiner Nase, versuche ich die richtige Griffabfolge zu finden, versuche den nächsten Haken anzuklettern und muss doch wieder einen Rückzieher machen. Hier stehe ich auch nicht sonderlich gut und um keinen Sturz zu riskieren setze ich mich kurz ins Seil. Danach klettere ich die Stelle zu weit links und komme erste nach einer weiteren Pause im Seil auf die Lösung. Im Sitzen entdecke ich einen Seitgriff und den nächsten für die linke Hand, in Kombination mit etwas schwindligen Tritten komme ich über diese Krux und kann bis zum Stand klettern. Der „Griff in die Schande“ – wie ich das A0en bezeichne – bleibt mir heute erspart. Beherzt angreifen heißt es hier um die Stelle frei zu klettern.
Die folgende 5- Verschneidung ist kurz und gut zu klettern. Überhaupt wechselt der Charakter der Route ab hier. Es gibt immer wieder zu Beginn kurze und schöne Kletterstellen die gut abgesichert sind und danach ist es eine reine Schotterpiste auf der man gehen muss wie auf rohen Eiern. Wir bzw. das Seil löst auch einige Male Steinschlag aus und wir sind froh, heute die ersten in der Route zu sein bzw. dass niemand nachkommt.
Nach der Verschneidung finde ich im Schotter den Stand nicht, kein Wunder, geht man hier doch 30m auf Geröll, lediglich nur ab und zu von festem Fels unterbrochen. Da ich den Stand zu weit rechts vermute und suche, finde ich ihn natürlich nicht und muss einen Stand bauen. Mit 3 Cams und einer Schlinge kann ich etwas halbwegs Vertrauensvolles bauen und sichere mit etwas mulmigen Gefühl Stefan und Paula nach – hier hakt es etwas und wir verlieren Zeit, die wir eigentlich nicht haben. Im Nachstieg entdeckt Paula gleich den Stand und ich sichere sie dorthin, er befindet sich etwa 15m links von mir.









Diese Aktion hat nicht nur Zeit sondern auch ein paar Nerven gekostet, aber wir sind noch lange nicht fertig. Die nächste Seillänge klettert sich zu Beginn wieder sehr schön, ist aber nur ein weiterer, kurzer Aufschwung, danach folgen 30-40 Meter ungesichert im Geröll. Das nervt und ist gleichzeitig auch anstrengend. Schließlich bitte ich Stefan noch einmal um einen Vorsteigerwechsel, damit ich ein wenig Energie für die letzte Seillänge sparen kann.
Stefan hat heute sowieso einen guten Tag, er überwindet die 4+ Stellen ohne Probleme, die sich für den Grad doch eindrucksvoll steil aufbauen und für mein Gefühl schon etwas weit abgesichert sind. Unser Tempo verlangsamt sich merklich, die Route und die Klettermeter fordern bereits ihren Tribut. Die letzte Seillänge, als „Bilderbuchverschneidung“ bezeichnet, zieht steil nach oben und ich will so sicher und so schnell wie möglich durchkommen. Es gibt immer wieder gute Rastpositionen, die Hakenabstände betragen gute 4 Meter oder mehr und einen Sturz in dieser Seillänge will ich um jeden Preis vermeiden. Vor allem zu Beginn dieser Seillänge muss ich ein paar Mal rasten und klettere nur zögerlich. Zugegeben, nervlich und kräftemäßig ist der Akku schon ziemlich leer. Vor allem das Nachsichern in einer 3er Seilschaft ist ein Kräfteräuber, den man bei langen Touren nicht unterschätzen darf. Am Ende weiche ich noch etwas nach rechts aus, dadurch verlängert sich zwar der Abstand zur letzten Sicherung, aber ich kann im brüchigen Kamin etwas besser verschnaufen als in der Wandstelle.
Empfehlenswert ist diese Variante aber nicht.







Der Gipfel des westlichen Reifhorns ist ein imposantes Stück und wir erreichen ihn gegen 13:40 Uhr. Wir haben einen massiven Zeitverlust in der oberen Hälfte einstecken müssen, den wir während der Kletterei nicht bemerkt haben. Glücklicherweise ist das Wetter stabil, es scheint die Sonne und der Regen ist noch weit entfernt.
Nach einer schnellen Jause machen wir uns an den Abstieg. Im Topo steht „gesamt 1 Stunde“. Nun, ich kann festhalten, das ist eine falsche Angabe. Alleine der Abstieg zum Wehrgrubenjoch ist noch immer anstrengend, stellenweise mit Abkletterstellen und man sollte sehr vorsichtig gehen. Dafür benötigen wir 1 Stunde und zur Hütte ist es noch einmal 1 Stunde normales Gehtempo. Auch hier gibt es Abkletterstellen mit Trittstiften oder Bügeln und viele seilversicherte Abschnitte.
FAZIT
Die Tour beginnt gut. Die Seillängen 9-11 sind eigentlich nur kurze Aufschwünge und dann geht man in Bruch und Schotter. Auch einige fußballgroße Steine liegen herum. Hier ist extreme Vorsicht bei vorhergehenden und nachkommenden Seilschaften empfohlen.
Was „gut abgesichert“ heißt in den Loferer Steinbergen wissen wir jetzt auch. Die Schlüsselstellen bzw. Kletterstellen sind wirklich gut gesichert, aber der Weg über Bruch und Schotter ist gänzlich ohne Zwischenhaken, mobile Sicherungen können dort kaum gelegt werden.
Ein bisserl ein Abenteuer war sie schon, vor allem für uns, da wir nur wenige Mehrseillängen in diesem Jahr gegangen sind. Fast 600 Klettermeter verteilt auf 13 Seillängen sind auch in den unteren Graden kein Lärcherl. Die Grade sind übrigens lächerlich niedrig angesetzt, ich denke man kann hier locker überall 1 Grad draufpacken im Vergleich zum Grazer Bergland, nur damit die Steirer einen Vergleichswert haben. 😉
Das spiegelt auch unser Gipfelbucheintrag wieder: „Hitzefrei – da legst a Ei!“
FAZIT HÜTTE
Die Schmidt-Zabierow-Hütte und das Team auf der Hütte sind ein rustikales Schmuckstück. Das Lager ist gut unterteilt mit Trennwänden, das Wasser für den Waschraum ist immer knapp und um die einzige Toilette gibt es morgens ein Griss, wenn man nicht sehr früh dran ist. Das Essen ist vorzüglich und hier kann man sich auch den Luxus eines Aperolspritzers in einem schönen Glas gönnen. Wir haben uns sehr wohl gefühlt und auch wenn uns die Hitzefrei stark gefordert hat, so kommen wir sicher wieder. Die Gegend und die Möglichkeiten sind genau so schön wie mannigfaltig. Ausgebucht ist die Hütte übrigens auch fast immer, wir sind bereits am Donnerstag angereist und bis Samstag geblieben, trotz wechselhafter Wettervorhersage war die Hütte ausgebucht.
